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Streif.Züge




07.08.2014  Birken, Rentiere und seltene Gitarren in Umeå



Seitdem Schweden mit Abba auf dem Radar erschien, ist das Land in der Musikwelt eine feste Größe. Doch nicht nur die Musikszene vibriert: Die gesamte Kunst- und Kulturszene sprüht vor Lebendigkeit. Wer dabei meint, die Impulse kämen allein aus den großen städtischen Zentren, irrt. Eine Reise nordwärts lohnt sich, denn dort, nahe am Polarkreis, gut 600 km von Stockholm und noch einmal doppelt so weit von Malmö entfernt, liegt die kreative Hochburg Umeå, in 2014 neben dem lettischen Riga europäische Kulturhauptstadt. Sie haben noch nie von Umeå gehört? Dann wird es Zeit.

 

Die „Stadt der Birken“ im hohen Norden

 

Umeå wurde im Jahr 1622 gegründet und brannte nur zwei Jahrhunderte später komplett ab. Um einer neuerlichen Feuersbrunst zu entgehen, wurden 3000 Birken gepflanzt, was Umeå im Volksmund den Titel „Stadt der Birken“ einbrachte.

 
 
 
 
 
 
 
 

Mit der Gründung der ersten Universität 1965 entwickelte sich das Dorf rasant. Das „Tor zu Lappland“ ist heute eine der am schnellsten wachsenden Städte Schwedens  und eine sehr junge  noch dazu. Bei gerade einmal 38 Jahren liegt das Durchschnittsalter der 118.000 Einwohner, deren Zahl sich in den letzten 50 Jahren verdreifacht hat. Fast ein Drittel von ihnen sind Studenten.

 

Durch den Zuzug hat sich das einst unscheinbare Städtchen zu einem dynamischen Zentrum des Wirtschafts- und Kulturlebens entwickelt   und zu einem Ort des liberalen (Vor-)Denkens.

 

Foto: © Peter Lundberg 

 

Wo diese Anziehungskraft herrührt? Ein Grund ist sicherlich die beeindruckende Naturkulisse aus tiefen Wäldern, Meer und Flüssen; vor allem aber dürfte die Mischung aus renommierten Universitäten, einer boomenden Industrie und dem vielfältigem Kulturangebot, insbesondere der äußerst lebendigen Musik- und Festivalszene für das Wachstum verantwortlich sein. Neben dem 2004 verstorbenen Autor der „Millennium-Trilogie“, Stieg Larsson, stammen viele Punk- und Hardcorebands wie Refused oder Cult of Luna aus der Stadt. In den 1990er war Umeå außerdem Ausgangspunkt der schwedischen Veganer- und Straight Edge-Bewegung. Gleichzeitig befindet sich hier die Norrlands Operan, das nördlichste Opernhaus Europas.


 
 
 
 
 
 
 
 

Foto: © Henrik Olofsson

 

Foto: © Umeå

 

Musik liegt in der Luft

 

Gleich sieben Musikfestivals hat die Stadt über das Jahr zu bieten. Dabei dürfte für jeden Geschmack etwas dabei sein: Auf dem Umeå Jazzfestival, das bereits 1968 ins Leben gerufen wurde und das älteste vor Ort ist, spielten Legenden wie Nina Simone, Miles Davis oder Duke Ellington. Das MADE („Music, Art, Dance, Experience“) gilt als Laboratorium für Musiktheater, Kunst und Tanz, das Kunstschaffenden viel Raum für Experimente bietet, während House of Metal und Sunset Park die Liebhaber etwas härterer Klänge ansprechen.


Umeå Open, ein Pop/Rock-Festival, ist Schwedens größtes Indoor-Festival. Welt- und Volksmusik hört man auf dem Umefolk. Auch außerhalb der Stadt muss man nicht auf Musik verzichten – auf der Insel Holmön, mit der Fähre in 45 Minuten zu erreichen, findet sich immer im Sommer ein großes Publikum für das Visfestival, ein wichtiges Treffen für Pop-Fans, ein.


Foto: © Andreas Nilsson

 

Anlässlich der Aktivitäten der Europäischen Kulturhauptstadt 2014, erhielt Umeå eine weitere Attraktion: Im Februar 2014 öffnete ein einzigartiges Gitarrenmuseum seine Pforten.


 

Eine Pilgerstätte für Gitarrenfans

 

Wer schon immer einmal das gleiche Gitarrenmodell, auf dem Eric Clapton sein Solo in Leyla spielte, aus der Nähe betrachten wollte, kann dies nun in einer ehemaligen Schule, einem Backsteingebäude aus dem frühen 20. Jahrhundert, tun. Gut 300 exklusive Vintage-Gitarren aus den 1950er und 1960er Jahren mit so klingenden Namen wie Silvertone Redburst oder Gibson Flying-V sind samt Verstärkern und allerlei weiterem Zubehör im Guitars – the Museum zu bestaunen.


 

Foto: © Fredrik Larsson


       

Foto: © Fredrik Larsson  Foto: © Stig Larsson

 

Auf einer 1950 Fender Broadcaster, Favoritin von Pink Floyd Gitarrist David Gilmour, oder einer Gibson Les Paul ein paar Riffs zu spielen, bleibt allerdings Samuel und Michael Åhdén vorbehalten. Von der Welt unbemerkt trugen die Zwillinge aus Vännesby über die Jahre eine der bedeutendsten private Gitarren-Sammlung ihrer Art zusammen. Von vielen der Raritäten aus den Anfangsjahren der E-Gitarre existieren weltweit nur noch wenige Exemplare. Umso erstaunlicher, dass dieser Schatz gerade in der kleinen Universitätsstadt im äußersten Norden Schwedens zu finden ist.

 

Wie alles begann

 

Um den Beginn der Sammelleidenschaft der Åhdén-Brüder ranken sich zahlreiche Mythen. Sicher ist, dass das Sammeln von Vintage-Objekten in der Familie liegt. Zur Gitarre griffen die Åhdéns bereits als Kinder. Ein Nachbar zeigte ihnen die ersten Akkorde und ließ sie auf seiner Gibson Les Paul spielen. Als die 12-Jährigen dann zum ersten Mal Purple Haze von Jimi Hendrix im Radio hörten, war es endgültig um sie geschehen. Die Brüder wollten selbst Musik machen. Dafür brauchten sie eigene Gitarren – nicht irgendein Modell, versteht sich, sondern eines, das den richtigen Sound versprach: eine Gibson, wie sie Eric Clapton und der Nachbar besaßen. Die Sammelleidenschaft war geboren und intensivierte sich in den 1980er Jahren.

 

Bald begannen sie, auch im Geburtsland des Rock nach besonderen Stücken zu suchen. Die Wege der Gitarren aus den USA nach Schweden klingen abenteuerlich: Eine Kontaktperson namens „der Grieche“ trieb für die Brüder selbst in den entlegensten Winkeln Amerikas seltene Exemplare auf, die dann von seiner Mutter nach Europa transportiert wurden. Als Stewardess kam diese damals in den Genuss zahlloser Gratis-Reisen und überquerte den Atlantik oft mit bis zu 40 Gitarren im Gepäck. In den 90er Jahren machte der Boom auf dem Vintage-Gitarrenmarkt weiteren Sammel-Ambitionen dann vorerst ein Ende: Die Preise explodierten – manche der handgefertigten Stücke wechseln für mehrere Hunderttausend Euro den Besitzer. Samuel und Michael Åhdén dachten aber nicht an Verkaufen.


Weit mehr als ein Museum


Foto: © Guitars - the Museum 


Was die Brüder gemeinsam mit einem Kuratoren-Team in der Vasagatan 18-20, auf halbem Weg zwischen Oper und Kulturzentrum, geschaffen haben, geht weit über ein Museum hinaus: Das Haus avancierte bereits kurz nach seiner Eröffnung zu einer Begegnungsstätte für Kunst und Musik. Wer nach einem ehrfürchtigen Streifzug Lust bekommt, eine Gitarre sein eigen zu nennen, braucht nur ein paar Treppenstufen hinab zu gehen: im Untergeschoss befindet sich der Music Store 4Sound mit einer Auswahl an  freilich etwas weniger exklusiven – Instrumenten, Bässen, Verstärkern und Vielem mehr. Ein Vintage-Record Store darf natürlich auch nicht fehlen. Für das leibliche Wohl ist ebenfalls gesorgt – Bar und Restaurant sind im gleichen Gebäude untergebracht. Auch der in ganz Schweden bekannte Musik-Club Scharinska, in dem Nacht für Nacht zu Dance, Punk, Metal oder Indie getanzt und von lokalen und internationalen Musikern gejammt wird, fand hier eine neue Heimat. Weitere Highlights befinden sich in Planung: Aktuell ist man mit einigen der weltweit bekanntesten Musiker und Pop-Stars im Gespräch, um sie für den einen oder anderen Auftritt im Gitarrenmuseum zu gewinnen. 


Wo die Avantgarde auf Rentierzüchter trifft

 

In Umeå treten nicht nur Vintage-Design und Moderne in einen Dialog, sondern auch die Jahrhunderte alten Traditionen der Samen, dem einzigen indigenen Volk Europas. Die ehemaligen Nomaden, deren Siedlungsgebiet sich unter dem Namen Sápmi über Schweden, Finnland und Norwegen bis nach Russland erstreckt, lebten einst von der Rentierzucht. Heute sind die meisten im Tourismus beschäftigt. Wer mehr über ihre Geschichte und Lebensweise erfahren möchte, wird im Västerbotten-Museum fündig, das außerdem mit dem ältesten Schi der Welt (stolze 5200 Jahre) um Besucher wirbt.

 

Die Kultur der Ureinwohner Skandinaviens spielt eine wichtige Rolle im Kulturhauptstadt-Jahr. Genauer gesagt ist es der samische Kalender, der gleich acht Jahreszeiten unterscheidet und somit den Rhythmus für acht Ausstellungen zeitgenössischer Sami-Künstler vorgibt, die im „Bildmuseet“, einem Zentrum der Avantgardekunst, stattfinden. Das „Bildmuseet“ ist Teil des Kunstcampus von Umeå, einem Ort des kreativen Austausches, an dem sich auch die Designhochschule und die elitäre Kunstakademie befinden.

 

Ein äußerst gelungenes Beispiel für Kunst im öffentlichen Raum ist der Skulpturenpark Umedalen; auf dem Gelände einer ehemaligen psychiatrischen Klinik gelegen, kann man unter anderem an Werken von Louise Bourgeois und Anish Kapoor vorbeiflanieren.

 

Foto: Skulptpurenpark Umedalen © Umeå

 

Begegnungen mit dem „König des Waldes“

 

Die Tage und Nächte sind lang am Polarkreis, besonders im Sommer, wenn die Sonne praktisch nicht untergeht und an Schlaf kaum zu denken ist. Wer eine Pause vom dichten Kultur-Programm benötigt - für das Kulturhauptstadt-Jahr sind rund dreihundert Veranstaltungen im Rahmen von Festivals, Ausstellungen, Pop- und Rockkonzerte, Lesungen und Opernaufführungen geplant - fährt in eines der faszinierenden Naturschutzgebiete in der Umgebung: Abenteuerlustige stürzen sich hier zum Rafting in die Fluten des Vindelälvent. Weniger Waghalsige erkunden verschneite Gegenden mit dem Hundeschlitten. Während man sich im Winter nicht wundern sollte, wenn man im Wald einer vorüberziehenden Rentierherde begegnet, braucht es auf einer der im Sommer angebotenen Safaris nicht viel Glück, um Elche, Biber, oder Robben aus nächster Nähe erleben können. Wer nichts dem Zufall überlassen möchte, stattet der Elchfarm, auf schwedisch Älgens Hus, einen Besuch ab.


Foto: © Henrik Olofsson

 

Wer schlaflose Nächte mit viel Programm am 63. Breitengrad nicht scheut, sollte sich also auf den Weg nach Norden machen. Nach Umeå.

 

Beitrag: Christine Maass

 

 

REISE.TIPPS

 

Anreise

Flüge ab Wien über Stockholm nach Umeå. sind ab 300 Euro (hin und retour) zu haben.



Übernachten

Im altehrwürdigen Grandhotel Stora Hotellet kann man ab 70 Euro pro Person stilvoll nächtigen.



Essen und Trinken

RexBar & Grill: schwedische Küche auf hohem Niveau

Lottas Krog (Nygatan 22): traditionelle Gerichte und Bier aus der hauseigenen Brauerei



Nachtleben

Ein beliebter Treffpunkt für Nachtschwärmer ist der Musikclub Scharinska, der sich im selben Gebäude wie das Gitarrenmuseum befindet.



 

WEB.SERVICE

 

Weitere News und Informationen zur europäischen Kulturhauptstadt 2014 finden Sie online.

 

umea2014.se

visitumea
Schwedische Botschaft Wien

 


 

 





 

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