Die Direktorin des polnischen Kulturinstituts, Justyna Golińska, sprach im Juli 2014 mit dem KDMagazin über die Erfüllung der Ziele Ihrer Amtszeit, das historische Institutsgebäude und darüber was Kreativität für Sie bedeutet.
Frau Golińska, haben Sie ein Lieblingsgericht aus Polen, welches Sie auch hier in Österreich gerne kochen?
Eine typische Nationalspeise aus Polen heißt „Pierogi“, das sind gefüllte Teigmaultaschen, die auf verschiedene Weise gefüllt werden.
Der Teig wird ganz einfach aus Mehl, Wasser, Eiern, Butter und Salz zubereitet. Je nach belieben werden die Teigtascherl zum Beispiel mit Kartoffeln, Hüttenkäse und Zwiebeln oder mit Fleisch gefüllt. Pierogi gibt es aber auch als süße Variante, welche mit Früchten gefüllt wird.
Die gefüllten Teigtaschen werden gekocht, gebraten oder gebacken serviert. Pierogi werden in Polen zu verschiedensten Anlässen serviert: An Weihnachten meist gefüllt mit Sauerkraut und Pilzen.
Foto: Die typische Nationalspeise Pierogi. Credit: CC Wikipedia Silar
Weltweit gibt es 23 Polnische Institute, jedes Institut kann eine andere Geschichte erzählen: Die Gegend im Zentrum Wiens, wo das Institut seinen Sitz hat, war im 16. Jahrhundert ein „Schmelztiegel der Nationen“ und ein wichtiger Handelsplatz für die Staaten Mitteleuropas. Wie viel Historie schwingt bei der Arbeit im Institut mit?
Das 40. Jubiläum der Gründung des Instituts ist eine wunderbare Gelegenheit für das Institut, die eigene Tätigkeit aus einer historischen, ganzheitlichen Perspektive zu reflektieren. Hiervon zeugt insbesondere der Jubiläumskatalog den wir gerade veröffentlicht haben und den man übrigens auch online auf unserer Website durchblättern kann. Der Katalog bietet unter anderem Texte zur Geschichte des Gebäudes, in dem das Institut seinen Sitz hat - Sie haben gerade daraus zitiert -, zur 40-jährigen Geschichte des Instituts, zu den Highlights unserer Tätigkeit. Es wird deutlich: 1989 war auch für das Institut die entscheidende Zäsur. Statt staatlich zentraler Planung gibt es seitdem eine aktive und an lokale Bedingungen angepasste Gestaltung seitens der DirektorInnen des Instituts, die Zensur wich einer Offenheit für alle Themen und Fragen, auch unbequeme.
Aber das Jubiläum ist eine besondere Situation. In der alltäglichen Arbeit konzentrieren wir uns weniger auf uns selbst sondern auf unsere Umwelt und weniger auf die Vergangenheit, als auf Gegenwart und Zukunft. Mit Ausnahme der Kooperationsprojekte, die wir im Bereich Geschichte organisieren, natürlich.
Wenn es um Geschichte generell geht, haben wir heuer derart viele runde Jahrestage, dass einem angesichts der Aufeinanderfolge erfreulicher und tragischer Ereignisse, an die erinnert wird, schwindelig werden kann. Insbesondere 25 Jahre seit der Wende 1989, die in Polen ihren Ausgang nahm, 15 Jahre seit dem Beitritt Polens zur NATO, 10 Jahre seit dem Beitritt zur EU, dann noch der Beginn des Ersten Weltkriegs 1914, den Warschauer Aufstand 1944, den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren… um nur einige wichtige zu nennen.
Foto: Polnisches Institut Am Gestade 7. Credit: Sabine Hauswirth.
Sie haben sich in Ihrer Amtszeit, welche mit 31. Juli 2014 endet, das Ziel gesetzt, das Wort Kultur um neue und moderne Kunstbereiche wie Design, Mode, Grafikdesign, Street Art, Videoinstallationen, Visual Art und Fotokunst zu erweitern. Haben Sie Ihr Ziel erfolgreich umsetzen können? Ist es gelungen die Aufmerksamkeit der österreichischen Bevölkerung auf diese Kunstgattungen zu lenken?
Diese Aufgabe lässt sich natürlich nicht mit einzelnen Festivals und Veranstaltungen zu Ende bringen. Ich hoffe aber, dass es uns gelungen ist, das Publikum für polnische KünstlerInnen und Projekte zu interessieren. Polnische Kultur ist ja nicht nur Chopin, Mickiewicz und Matejko. Polnische Kultur ist auch Etam Cru, VJ Emiko und Karol Tymińskis „Beep“. Wir machen die österreichischen Multiplikatoren darauf aufmerksam und freuen uns besonders, wenn hieraus Filmpremieren oder Festivalteilnahmen entspringen, die wir als Kooperationsprojekte aktiv fördern und promoten.
Glücklicherweise gibt es in diesem Bereich in Österreich gute Kooperationspartner, einige sind seit längerer Zeit etabliert, andere sind erst in den letzten Jahren hinzugekommen. Nehmen Sie beispielsweise das Waves Vienna Festival, das Donaufestival, das V:NM Festival für Improvisationsmusik in Graz, die Vienna Design Week, das imagetanz Festival, das sound:frame oder die MQ Vienna Fashion Week.
Wenn ich das Veranstaltungsprogramm der letzten Jahre Revue passieren lasse, habe ich durchaus den Eindruck, dass es uns gelungen ist, das Spektrum angemessen zu erweitern. Ich meine, wir haben an wichtigen Stellen die sprichwörtlichen Steine ins Rollen gebracht. Gleichzeitig sind wir auch in den „klassischen“ Kultursparten aktiv geblieben.
Frauen werden klischeehaft als das „kreative Geschlecht“ bezeichnet. Das polnische Kulturinstitut wird aktuell von einem Team mit einem hohen Frauenanteil geführt. Ein zusätzlicher Erfolgsfaktor oder reiner Zufall?
Ich kannte dieses Klischee gar nicht. Dass Kreativität etwas mit dem Geschlecht zu tun haben soll ist natürlich absurd. Es ist ja auch nicht so, dass generell im Kulturbereich mehr Frauen als Männer arbeiten, schon gar nicht in leitenden Positionen. Das Institut hatte übrigens in den ersten 20 Jahren ausschließlich Männer als Direktoren und stellvertretende Direktoren, seit 20 Jahren ist das Verhältnis hingegen ausgeglichen.
Ich denke, dass Kreativität auf Organisationsebene viel mit Diversität zu tun hat, mit unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven, die in die Arbeit eingebracht werden. Nur Frauen im Team zu haben würde dementsprechend nicht mehr, sondern weniger Kreativität bedeuten.
Welche Highlights sind 2014 geplant - zählen dazu auch Kooperationen mit EUNIC?
Das polnische Institut in Wien wurde heuer 40 Jahre alt! Daher war das Highlight des Jahres auf jeden Fall unser Open Air Kulturfest am 13. Juni auf dem Platz vor dem Institut. Das Fest stand ganz im Zeichen unseres Jubiläums. Polnische und österreichische Künstler aus vielen Kulturgattungen waren vertreten. Ein weiteres Highlight war die Ausstellung „Zum Beispiel. Das neue polnische Haus" im Architekturzentrum Wien im ersten Quartal.
Generell funktionieren die Kooperationen mit den Kulturinstituten anderer Länder, die ja ebenfalls allesamt ihren Sitz in Wien haben, hervorragend. EUNIC Austria als Netzwerk aller nationaler Kulturinstitute in Österreich bildet einen wertvollen zusätzlichen institutionellen Rahmen für diese produktive und freundschaftliche Zusammenarbeit. Wie bereits in den beiden Jahren zuvor wird es auch im laufenden Jahr das EUNIC-Projekt „Europa zu Gast im erweiterten Wohnzimmer“ geben, also Lesungen in Wiener Kaffeehäusern, anlässlich des Tags des Kaffees, die von österreichischen Schauspielern vorgetragen werden. Diesmal lautet der Untertitel „Krieg und Frieden“. Hiervon inspiriert haben wir die Schauspielerin Konstanze Breitebner eingeladen, am 1. Oktober im Café Ministerium eine Reportage von Ryszard Kapuściński sowie Auszüge aus einem Roman des norwegischen Schriftstellers Lars Saabye Christensen zu lesen.
Zur Person Justyna Golińska
Justyna Golińska ist Absolventin der Staatlichen Schauspiel-Hochschule in Warschau sowie der Ohio University, wo sie Theaterwissenschaften belegte. Sie studierte zudem Italienische Philologie, Kunstgeschichte und Klassische Philologie an der Warschauer Universität. Von 1995 bis 2009 war Golińska für die monatlich erscheinende polnische Theaterzeitschrift „Dialog“ als Redakteurin und Auslandsressortleiterin tätig. In den Jahren 2003 bis 2009 war sie stellvertretende Chefredakteurin. Sie ist Mitbegründerin und Direktorin der Stiftung „Medientandem“ (2004 bis 2010), die sich der Zusammenarbeit zwischen polnischen und deutschsprachigen Journalisten sowie der Präsentation Polens im Ausland widmet. In den Jahren 2009 bis 2010 Stipendiatin des Programms „Europäische Journalisten-Fellowships“ an der Freien Universität Berlin. Seit Oktober 2010 ist sie Direktorin des Polnischen Instituts Wien.
Foto: Direktorin Justyna Golińska. Credit: Sabine Hauswirth.