Guillaume Rousson, Direktor des französischen Kulturinstituts in Wien, diskutierte mit dem KDMagazin über die Vielfalt von EUNIC und interessante Initiativen anlässlich des Gedenkjahres zum Beginn des ersten Weltkrieges vor 100 Jahren. Das Gespräch führt zu einer Reflexion über die Macht der Kultur im Angesicht von Konflikten und Spannungen.
Das französische Kulturinstitut übernahm 2013 und im ersten Halbjahr 2014 die Leitung des EUNIC Cluster Vienna. Welche Herausforderungen und welche Highlights begegneten Ihnen?
Das Ziel als EUNIC Mitglied im Ausland ist es, Brücken zwischen den Kulturen zu schlagen, um das lokale Publikum an ausländische Kultur heranzuführen. In diesem Kontext ist die "EUNIC Week", die jedes Jahr stattfindet, der Höhepunkt unserer Tätigkeit. In den berühmtesten Wiener Kaffees lesen Schauspieler Werke europäische Literatur. Die Stadt Wien hat vor allem durch die Verbreitung der Information für diese Veranstaltung Interesse gezeigt.
In diesem Sinne möchten wir auch den Wienern ihre Stadt aus einer anderen Perspektive zeigen. Die „European guided tour“, die jedes Monat von einem EUNIC Mitglied organisiert wird, bietet die einzigartige Möglichkeit zu einem Spaziergang durch Wien auf den Spuren europäischer Länder.
Foto: Direktor Guillaume Rousson. Credit: Französisches Kulturinstitut Wien
Gibt es eine Form der regelmäßigen Zusammenarbeit zwischen EUNIC Austria und dem Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres?
Das BMEIA ist eines unserer Mitglieder und dieses Jahr übernimmt die dort verantwortliche Delegierte sogar die Organisation des „Tag des Kaffees“. Wir verfolgen dieselben Ziele, während unsere täglichen Aktivitäten unterschiedlicher Art sind.
Der erste Weltkrieg und das Gedenkjahr anlässlich des hundert jährigen Jahrestags zum Ausbruch ist Thema in vielen aktuellen Diskursen...
Von österreichischer Seite hat bereits eine Vielzahl von Initiativen stattgefunden, die durch die Ideen unserer EUNIC-Mitglieder noch bereichert werden: So wird die Slowakei einen Dokumentarfilm über den Vertrag von Versailles anbieten, Ungarn eine Ausstellung über die Künste während der Kriege präsentieren, die Tschechische Republik eine Wanderausstellung „Der letzte Sommer“ zeigen, die die Zeit kurz vor Ausbruch des Krieges thematisiert und Frankreich eine Tagung in Zusammenarbeit mit der deutschen Botschaft im Heeresgeschichtlichen Museum organisieren.
Ich freue mich, über diese Vielfalt zu berichten, spiegelt sie doch den Reichtum einer europäischen kulturellen Kooperation wider. Angesichts dieses gedenkreichen Jubiläums haben wir „Krieg und Frieden“ als diesjähriges Thema für den „Tag des Kaffees“ gewählt. Alle Mitglieder des EUNIC-Clusters Vienna sind sich darüber einig, dass bei der von unserem ungarischen Mitglied organisierte Ausstellung mit dem Titel „Die EU – das Friedensprojekt“ die neuen, friedlichen Lösungen unserer heutigen Zeit hervorgehoben werden sollen.
Das EUNIC Jahrbuch 2012/2013 thematisierte mit dem Titel “Culture and Conflict” das Potenzial von Kultur, Kreativität und Künsten in Friedensprozessen…
Diese Publikation bringt auf beeindruckende Weise die Macht der Kultur im Angesicht von Konflikten und Spannungen zum Ausdruck. Man kann das Buch mit den Worten der österreichischen Schriftstellerin Andrea Grill zusammenfassen, die in „Kultur und Konflikt“ zitiert werden: „Ich denke nicht – so leid es mir tut –, dass Kunst und Wissenschaft gewaltsame Konflikte verhindern können. Kultur – wenn man dieses Wort als Sammelbegriff verwenden möchte – kann uns innerlich wappnen. Sie kann uns Erfahrungen vermitteln, die wir im wirklichen Leben nicht machen, uns zu Menschen machen, die darauf vorbereitet sind, mit Elend und Gewalt umzugehen, wobei man darauf naturgemäß nie vorbereitet ist.
Sie ermöglicht uns auszuhalten, was nicht auszuhalten ist; aber es nicht schlicht hinzunehmen, sondern darüber hinaus zu denken und zu leben.“
Einige Kulturinstitutionen haben sich dem 100 jährigen Gedenkjahr zum Beginn des 1. Weltkriegs angenommen. Gibt es Projekte, die Sie bereits besucht haben?
Ich konnte die äußerst aufschlußreiche Retrospektive der ÖNB besuchen bei der die Erklärung von Kaiser Franz-Joseph I « An meine Völker ! » das Kriegsgeschehen und den Zusammenbruch der Österreich-Ungarischen Monarchie in Texten und in Bildern dokumentiert ist. Auf den ausgestellten Plakaten habe ich übrigens einige Bilder wiederentdeckt, die 2010 im Werk von Dr. Erik Eybl “Information. Propaganda. Kunst» veröffentlicht worden sind und in dem er die Bilder der französischen und österreichischen Propaganda gegenüberstellt.
Das Interview erschien in der aktuellen Ausgabe des KDMagazins (2014).
EUNIC – European Union National Institutes of Culture – ist ein Netzwerk der Kulturinstitute der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. EUNIC wurde 2006 gegründet, hat 32 ordentliche Mitglieder aus 26 Staaten. Seine Mitglieder arbeiten in 150 Staaten in verschiedenen Kulturbereichen wie Kunst, Sprachen, Jugend, Bildung oder Wissenschaft. EUNIC verfolgt das Ziel, zum internationalen Kulturdialog beizutragen, das bessere Verständnis und Bewusstsein der Vielfältigkeit der europäischen Kultur zu fördern sowie den Erwerb von Fremdsprachen zu unterstützen.
Das internationale Netzwerk veröffentlicht jährlich ein Jahrbuch: 2012/2013 widmete sich dieses dem Potenzial von Kulturarbeit in Konflikten, das Jahrbuch 2013/2014 nähert sich dem gemeinsamen Kontinent mit dem Titel „Europa von außen“ an. Die Publikationen stehen auf Deutsch und Englisch online zur Verfügung.
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